Landesregierung will Vorgaben der Rechtsprechung zur Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter nur unvollständig umsetzen
Beamte, bei denen aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen begrenzte Dienstfähigkeit festgestellt und die Arbeitszeit herabgesetzt wurde, erhalten Bezüge entsprechend dem Teilzeitquotienten (z.B. 14/28), mindestens jedoch in Höhe ihres fiktiven Ruhegehalts. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht verlangt, dass begrenzt dienstfähige Beamte gegenüber Ruhestandsbeamten besser gestellt werden. Erstere würden ihre gesamte Arbeitskraft einbringen, während Ruhestandsbeamte die Möglichkeit hätten unter Ausnutzung der ihnen verbliebenen Arbeitska-pazität die Ruhestandsbezüge durch Erwerbstätigkeit aufzubessern, das müsse kompensiert werden.
Das Land erließ daraufhin eine Verordnung, die vorsah, dass begrenzt dienstfähige Beamte über die fiktiven Versorgungsbezüge hinaus einen Zuschlag in Höhe von 4 % ihrer Dienstbezüge, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 180,00 € brutto erhielten. Gegen diese Regelung wurde mit Unterstützung des GEW-Rechtsschutzes geklagt. Mit Urteil vom 1.11.2011 (Az.: 5 LC 50/09) stellte das OVG Lüneburg fest, dass der in Niedersachsen vorgesehener Zuschlag verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist. Diese Entscheidung wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 14.5.2013 (Az.: 2 B 6.12) bestätigt. Nach den Empfehlungen des Ausschusses für Haushalt und Finanzen des niedersächsischen Landtages zum Haushaltsbegleitgesetzes 2014 soll der Zuschlag in Umsetzung der rechtlichen Vorgaben auf 5 % der Dienstbezüge, mindestens 250 € brutto, angehoben werden. Auch diese beabsichtigte Regelung würde in keiner Weise den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen.
Bei der Frage, ob ein Bezügebestandteil angemessen ist, ist auf den Nettobetrag abzustellen. Der Betrag von 250 Euro brutto dürfte im Durchschnitt etwa 180 Euro netto entsprechen. Das ist der Zuschlag, den die allermeisten Betroffenen erhalten werden, nur bei hohen Besoldungsgruppen (in der Regel ab A 15) greift die 5%-Regelung. Nach den Vorgaben der Rechtsprechung sind durch den zu zahlenden Zuschlag zunächst einmal die Nachteile zu kompensieren, die begrenzt dienstfähige Beamte gegenüber Ruhestandsbeamten haben. Die Regierungsfraktionen behaupten in der Gesetzesbegründung, die OFD Niedersachsen habe anhand von „Eckbeamten“ ausgerechnet, dass der Nettonachteil ca. 160 Euro betrage. Diese Berechnung ist völlig intransparent und sehr wahrscheinlich falsch. Auch bei der alten Regelung, deren Verfassungswidrigkeit gerichtlich bestätigt wurde, hatte das Land gemeint, sich auf Berechnungsbeispiele anhand von „Eckbeamten“ stützen zu können.
Nach den Vorgaben des BVerwG sind folgende Nachteile zu kompensieren:
- Ruhestandsbeamte haben in der Regel einen Beihilfesatz von 70 %, lediglich 30% müssen durch eine Krankenzusatzversicherung zusätzlich abgedeckt werden. Begrenzt dienstfähige Beamte müssen dagegen 50 % abdecken.
- Ruhestandsbeamte haben steuerliche Vorteile, sie können einen Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) in Anspruch nehmen.
- Begrenzt dienstfähige Beamte haben, anders als Ruhestandsbeamte, berufsbedingte Aufwendungen, nach Auffassung des BVerwG ist hier zumindest der Aufwand für den Weg zur Arbeitsstätte zu berücksichtigen.
Das BVerwG nennt als weiteren Nachteil, dass bei der Berechnung der Bezüge begrenzt Dienstfähiger der volle Versorgungsabschlag Berücksichtigung findet.
Diese Nachteile werden durch eine Zahlung von 180 Euro netto nicht kompen-siert, geschweige denn, dass dem Gebot der Besserstellung entsprochen wird. Als Beispiel seien hier nur die Fahrtkosten genannt. Hat ein begrenzt dienstfähiger Beamter an vier Tagen in der Woche Unterricht und muss je Strecke 10 km mit dem PKW zurücklegen, entstehen dafür allein Mehrkosten in Höhe von mindestens 80 Euro pro Monat. Das OVG Lüneburg hatte diese Kosten nicht anerkannt und kam trotzdem zu dem Ergebnis, dass eine Zulage in Höhe von 180 Euro brutto zu niedrig sei. Unter Berücksichtigung der Fahrtkosten sind dann aber auch 250 Euro unzureichend.
Der Zuschlag war bisher durch Verordnung geregelt, die Rechtswidrigkeit einer Verordnung kann durch die Verwaltungsgerichte festgestellt werden. Jetzt soll nach den Vorstellungen des Haushaltsausschusses eine gesetzliche Regelung erfolgen. Gesetze können nur durch das Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt werden. Im Falle der Verabschiedung der beabsichtigten Gesetzesfassung würde es viele Jahre dauern, bis die sehr offensichtliche Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung festgestellt werden würde. Möglicherweise ist genau das die Absicht.
Andere Bundesländer haben in Umsetzung der Vorgaben des BVerwG erheblich günstigere Zuschlagsregelungen erlassen. In Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beträgt der Zuschlag beispielsweise 50 % des Unterschiedsbetrages zwischen den gekürzten und den vollen Dienstbezüge. Das müsste Maßstab für den Landesgesetzgeber sein.
(Link: http://gew-nds.de/index.php/arbeitsplatz/besoldung-gehalt/529-250-euro-sind-zu-wenig)