Der GEW Kreisverband Leer gratuliert allen Kolleginnen zum
Internationalen Frauentag
Internationaler Frauentag: Der lange Weg zum Lebensberuf
Die Geschichte der Erzieherinnen ist die Geschichte der Frauenerwerbsarbeit in Deutschland. Im Osten geht sie etwas anders als im Westen. Viel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten getan. Aber zu Ende erzählt ist diese Geschichte noch nicht. Frauke Gützkow, Leiterin des GEW-Arbeitsbereichs Frauenpolitik, wirft einen Blick zurück und nach vorn.
Im Osten galt die berufstätige Mutter schon früh als Leitbild. Hingegen sollten „Kindergarten-Tanten“ im Westen in den 1950er- und 1960er-Jahren dafür sorgen, dass Mütter am Vormittag den Haushalt erledigen konnten. Dass schon damals viele Frauen nichts von dem Ideal der Hausfrauenehe hielten und ihm nicht entsprachen, wurde ignoriert. Die Kinder wurden in meist kirchlichen Kindergärten von Nonnen, Diakonissen oder jungen Frauen betreut. Letztere sollten sich auf ihre Zukunft als Mutter vorbereiten. Sie mussten „mit Kindern spielen“ können, ein Qualifikationsprofil, das auch in der DDR galt. Geld, Arbeitsbedingungen oder pädagogische Kompetenzen blieben unterbelichtet.
Die „Kindergarten-Tante“ verschwand im Westen erst, als in den 1970er-Jahren immer mehr Mädchen und junge Frauen immer höhere Bildungsabschlüsse machten. Viele ergriffen pädagogische Berufe, auch in den Kitas. Erstmals wurde anerkannt, dass die Arbeit mit kleinen Kindern einer fundierten Ausbildung bedarf. Aus der „Kindergarten-Tante“ wurde die an einer Fachschule ausgebildete Erzieherin. Eine duale Ausbildung mit Vergütung blieb ihr indes verwehrt.
Mit der Bildungsexpansion begann ein zäher Kampf um die öffentliche Ganztagsbetreuung, die in der DDR längst flächendeckend gesichert war. Erst Anfang dieses Jahrhunderts wurde ein bedarfsdeckendes öffentliches Angebot zum Regierungsprogramm erhoben.
Nun mauserte sich der Beruf auch im Westen zum Lebensberuf. Im Osten waren Erzieherinnen jenseits der 40 längst gang und gäbe. Gleichwohl bleibt die Situation hüben wie drüben prekär. Wie in allen Berufen, die als traditionell weiblich gelten, werden Bezahlung, Ausbildung und Arbeitsbedingungen geringgeschätzt.
Erst der akute Fachkräftemangel scheint daran etwas zu ändern. Eigentlich sollen öffentliche Betreuungsangebote den vielen Müttern kleiner Kinder eine Erwerbstätigkeit oder längere Arbeitszeiten ermöglichen. Doch schlechte Bezahlung, belastende Arbeitsbedingungen und fehlende pädagogische Freiräume produzieren einen Fachkräftemangel, der den Ausbau der Kitas ausbremst. Offensichtlich spukt die „Kindergarten-Tante“ noch immer in den Köpfen der politisch Verantwortlichen und der Arbeitgeber herum.
Erzieherin als Lebensberuf heißt, von der eigenen Arbeit leben zu können – auch mit Kind, auch mit Familie. Es heißt, gesund zu bleiben und berufliche Perspektiven zu haben. Und es heißt, im Alter von der Rente leben zu können. Anders als langjährig Versicherte mit lupenreiner traditionell männlicher Erwerbsbiografie wird kaum eine Erzieherin von der Rente mit 63 nach 45 Erwerbsjahren profitieren. Doch die Notwendigkeit flexibler und vorzeitiger Übergänge in die Rente bemisst sich nicht nach Versicherungsjahren.
Es wird noch lange dauern, bis die politisch Verantwortlichen wirklich verstanden haben, dass Arbeit und Leben mehr sind als ein unbefristeter Vollzeitjob. Erinnern wir sie daran – jeden Tag aufs Neue!
Frauke Gützkow,
Leiterin des GEW-Arbeitsbereichs Frauenpolitik